Wenn man sich intensiver mit dem Thema Offroad-Fahrzeuge oder Overlanding beschäftigt, stolpert man früher oder später über die Begriffe „Höherlegung“, „Fahrwerksoptimierung“ oder „Offroad-Fahrwerk“. Doch was steckt dahinter? Und lohnt sich das überhaupt? In diesem Beitrag möchte ich Dir aus Anwendersicht – und mit etwas Profiperspektive – einen Einblick geben, was ein Offroad-Fahrwerk eigentlich bringt, worauf man achten sollte und welche Vor- und Nachteile damit verbunden sind.
Was ist ein Offroad-Fahrwerk?
Ein Offroad-Fahrwerk unterscheidet sich in mehreren Punkten von einem Serienfahrwerk, wie es ab Werk in den meisten Fahrzeugen verbaut ist. Hauptsächlich geht es um eine Anpassung an den Geländeeinsatz, mehr Bodenfreiheit und eine höhere Belastbarkeit. Typischerweise umfasst ein Offroad-Fahrwerk verstärkte Federn und Stossdämpfer, eventuell längere Komponenten und eine veränderte Geometrie. Es kann so konzipiert sein, dass es zusätzliches Gewicht (zum Beispiel durch Dachzelte, Wassertanks oder Seilwinden) besser abfedert oder ein stabileres Fahrverhalten bei langen Reisen mit sich bringt.
Vorteile eines Offroad-Fahrwerks
Ein Offroad-Fahrwerk bringt einige praktische Vorteile mit sich – besonders, wenn man regelmässig abseits befestigter Wege unterwegs ist oder das Fahrzeug schwer beladen wird. Mehr Bodenfreiheit ist oft das erste Argument. Je nach Höherlegung sind es 40 bis 50 mm, manchmal auch mehr. Damit gewinnt man Spielraum in unwegsamem Gelände: Steine, Wurzeln oder tiefe Spurrillen werden besser gemeistert, und das Risiko, mit Unterboden oder Achsen aufzusetzen, sinkt deutlich. Ein weiterer Vorteil ist der zusätzliche Federweg. Das sorgt dafür, dass die Räder auch in ausgewaschenem Gelände möglichst lange Bodenkontakt behalten – wichtig für Traktion und Sicherheit. Auch das Fahrverhalten verbessert sich, wenn das neue Fahrwerk auf das zusätzliche Gewicht von Umbauten wie Hardtop, Innenausbau oder Dachzelten abgestimmt ist. Wer viel auf schlechten Pisten, Schotterstrassen oder Wellblechpisten unterwegs ist, wird das Plus an Fahrkomfort ebenfalls spüren. Hochwertige Stossdämpfer in einem Offroad-Fahrwerk absorbieren Schläge besser und reduzieren das Aufschaukeln des Fahrzeugs.
Nachteile und Einschränkungen
Ein Offroad-Fahrwerk hat nicht nur Vorteile – es gibt auch einige Punkte, die man kennen sollte. Zum einen verändert sich das Fahrverhalten auf der Strasse. Ein höherer Schwerpunkt kann dazu führen, dass sich das Fahrzeug in schnellen Kurven etwas stärker neigt. Je nach Fahrzeug und Fahrwerksauslegung kann das zu einem ungewohnten Fahrgefühl führen, vor allem, wenn das Fahrwerk zu hart oder zu weich abgestimmt ist. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang der Kippwinkel des Fahrzeugs. Durch die Höherlegung steigt dieser merklich, was das Risiko erhöht, in engen Kurven, bei schnellen Ausweichmanövern oder starkem Seitenwind instabil zu werden. Leider gibt es dazu keine herstellerseitigen Angaben – und wenn, dann wären diese unter realen Bedingungen ohnehin kaum aussagekräftig. Der tatsächliche Kippwinkel hängt stark von Fahrzeuggewicht, Beladung, Dachlast und Fahrwerkskomponenten ab.
Ein erhöhter Kippwinkel macht sich zudem besonders bei Schrägfahrten im Gelände bemerkbar. Wenn man mit einem stark höher gelegten Fahrzeug schräg am Hang fährt, reduziert sich die Kippsicherheit deutlich, was sogar zum Umkippen führen kann. Deshalb gilt es, sich langsam an das veränderte Verhalten des Fahrzeugs heranzutasten und dessen Grenzen genau zu kennen. Man kann dem höheren Kippwinkel etwas entgegenwirken, indem man die Spurbreite erhöht – etwa durch Felgen mit negativer Einpresstiefe (ET) oder durch den Einsatz von Spurverbreiterungen. Dadurch steht das Fahrzeug breiter auf der Strasse, was die Seitenstabilität verbessert. Aber: Dabei ist zwingend darauf zu achten, dass die Räder nicht über die Karosserie hinausragen – sonst droht nicht nur ein Mangel bei der Prüfung, sondern auch Steinschlag an der eigenen Karosserie oder an anderen Fahrzeugen.
Die verwendeten Felgen und Spurplatten müssen ausserdem zugelassen und geprüft oder bereits eingetragen sein. Auch der Einbau selbst ist nicht zu unterschätzen. Es braucht in der Regel eine Achsvermessung, teils Anpassungen an Bremsleitungen oder Sensoren, und je nach Fahrzeug auch eine Nachprüfung oder Eintragung. In der Schweiz muss eine solche Umrüstung meist geprüft und eingetragen werden – hier lohnt sich der Gang zu einer Fachwerkstatt mit Erfahrung. Ein weiterer Punkt: Höherlegung bedeutet nicht automatisch mehr Zuladung. Wer schwerere Lasten transportieren will, benötigt zusätzlich ein Fahrwerk, das auf diese Last abgestimmt ist – und eventuell eine Auflastung mit entsprechender Abnahme.
Ein Fahrwerk mit Starachsen ist für eine Höherlegung besser geeignet als eine Einzelradaufhängung. Bei einer Einzelradaufhängung kommen die Gelenkwellen schnell in einen Bereich, wo der Verschleiss und die Belastung zu hoch sind, da der Knickwinkel der Kreuzgelenke kaum anpassbar ist. Bei einer Starrachse kann man durch die Absenkung des Getriebes diesem Knickwinkel entgegenwirken. Bei einer Einzelradaufhängung sind vornehmlich nur ca. max. 3–4 cm möglich, die aber ebenfalls schon viel bringen, wenn man Offroad unterwegs ist.
Was muss bei grösseren Höherlegungen zusätzlich beachtet werden?
Wenn die Höherlegung über etwa 2 Zoll (ca.6 cm) hinausgeht, kommen weitere technische Anpassungen ins Spiel. Diese sind nötig, um die Funktionalität, Sicherheit und Fahrstabilität des Fahrzeugs zu erhalten. Dazu gehören beispielsweise eine Getriebeabsenkung, längere Bremsleitungen, Anpassung der, wenn vorhanden, lastabhängigen Bremskraftregelung (LAB), längere Koppelstangen für den Stabilisator sowie ein verstellbarer Panhardstab, der die Achse zentriert hält. Bei Fahrwerken für starke Dauerbelastungen (EHD – Extra Heavy Duty), zum Beispiel bei Expeditionsfahrzeugen oder Pick-ups mit hoher Zuladung, kann es ausserdem notwendig sein, die Aufnahmen der Federn oder Dämpfer zu verstärken.
Ein typisches Beispiel hierfür ist der Nissan Patrol, bei dem originale Federaufnahmen unter hoher Dauerbelastung langfristig Schaden nehmen könnten. Hier sind Verstärkungen oder Umbauten mit robusteren Komponenten notwendig. Diese technischen Details werden in vielen Forenbeiträgen und Diskussionen gerne übersehen, sind aber entscheidend für ein sicheres, stabiles und langlebiges Fahrverhalten nach einer grösseren Höherlegung. In der Werkstatt sehen wir leider immer wieder Fahrzeuge mit wilden Umbauten, bei denen genau diese Punkte vernachlässigt wurden – mit Folgen für Spurtreue, Bremsverhalten und Haltbarkeit. Ein funktionierendes Offroad-Fahrwerk ist nicht mal eben schnell Federn und Dämpfer wechseln.
Was bedeuten Angaben wie «+150 kg» oder «+200 kg» bei Offroad-Federn?
Beim Kauf von Offroad-Federn sieht man häufig Angaben wie „+150 kg“, „+200 kg“ oder sogar „+400 kg“. Diese Werte beziehen sich auf die Federkennlinie der Offroad-Federn und bedeuten nicht, dass man das Fahrzeug entsprechend stärker über die maximale Zuladung beladen darf.
Konkret bedeutet das: Wenn Du beispielsweise vorn eine Seilwinde inklusive verstärkter Frontstossstange montiert hast und hinten zusätzlich beladen unterwegs bist, empfehlen sich Federn mit einer Angabe von +150 bis +200 kg. Durch diese Federn steht das Fahrzeug trotz Zusatzgewicht weiterhin stabil und sackt nicht übermässig durch.
Wichtig zu wissen ist dabei aber, dass sich das Fahrzeug mit solchen verstärkten Federn im leeren Zustand spürbar härter fährt – beinahe „wie ein Go-Kart“. Erst unter Belastung entfalten diese Federn ihre Stärke und sorgen für ein Fahrgefühl, das dem Serienfahrwerk nahekommt – jedoch etwas straffer, sicherer und stabiler bei Zuladung und im Gelände.
Die Wahl der richtigen Federn sollte deshalb immer auf Dein tatsächliches Set-up und die konkrete Nutzung des Fahrzeugs abgestimmt sein.
Ein Beispiel.
Ich selbst fahre einen Nissan Patrol Y61, ausgestattet mit einem TJM Extra Heavy Duty (EHD) +400 kg Fahrwerk und einer Höherlegung von +3 Zoll. Dieses Fahrzeug hat an der Vorderachse das Zusatzgewicht einer Seilwinde, einer TJM T15 Offroad-Stossstange und einer zweiten Batterie (35 kg) für mein Doppelbatteriesystem. Zudem befinden sich auf dem Dach ein Dachträger und Dachzelt, während an der Hinterachse neben dem Innenausbau zusätzlich eine Kaymar Stossstange mit Reserverad-Swing-out und einem 285er 16" Reserverad montiert ist. Im kompletten Reise-Setup komme ich auf ein Gesamtgewicht von rund 3,1 Tonnen. Mit diesem Gewicht fährt sich der Patrol extrem angenehm und stabil, selbst höhere Kurvengeschwindigkeiten sind durch die progressiven Federn problemlos möglich.
Eine progressive Federung passt sich durch die nicht lineare Federung dynamisch an unterschiedliche Fahrbedingungen an. Sie wird weicher bei geringem Druck und härter bei stärkerem Druck, was den Fahrkomfort bei normalen Fahrten und die Kontrolle bei höheren Belastungen verbessert. Das Fahrzeug verhält sich absolut fahrstabil, ohne störendes Schaukeln. Im unbeladenen Zustand sieht das jedoch ganz anders aus: Dann spürt man jede kleine Unebenheit – das Fahrwerk fühlt sich regelrecht stocksteif an, trotz der progressiven Federn. Ich bevorzuge allerdings genau dieses knackige, sportliche Fahrgefühl. Dadurch bekomme ich auch bei einer Seitenneigung von mehr als 25° keine Schweissperlen auf der Stirn – das Fahrzeug bleibt stabil und kontrollierbar, ohne unangenehmes seitliches Aufschaukeln.
In Verbindung mit den verbauten stärkeren Stossdämpfern ist dieses Fahrwerk-Setup für meine Bedürfnisse schlichtweg perfekt. Die Wahl des richtigen Fahrwerks ist also eine sehr individuelle Entscheidung, die stark von Deinem persönlichen Einsatzzweck und Fahrgefühl abhängt. Wichtig ist, dass man sich bewusst entscheidet und weiss, welche Vor- und Nachteile man in Kauf nimmt.
Meine Erfahrungen als Anwender und Verkäufer eines Offroad-Fahrwerks
Wir erleben oft, dass Kunden mit hohen Erwartungen oder falschen Vorstellungen kommen. Ein „3-Zoll-Liftkit“ klingt erst einmal nach Abenteuer – aber wenn es nicht zum Fahrzeug, dem Einsatzzweck und dem Gesamtgewicht passt, kann es das Fahrverhalten sogar verschlechtern. Deshalb ist es wichtig, im Vorfeld zu klären, wofür das Fahrzeug genutzt wird. Regelmässige Geländefahrten, Touren mit hoher Zuladung oder doch hauptsächlich Strassenbetrieb? All das spielt bei der Auswahl des richtigen Fahrwerks eine Rolle. Qualität, passende Abstimmung und eine fachgerechte Installation sind entscheidend. Mit einem zu harten Fahrwerk hüpft das Fahrzeug wie ein Gummiball durchs Gelände. Ein zu weiches Fahrwerk lässt das Fahrzeug wie ein Schaukelstuhl durchs Gelände schaukeln. Kommt das Fahrzeug in eine Schräglage, fängt es an, sich stärker zur Seite zuneigen, als es einem lieb ist, während ein straffes Fahrwerk das Fahrzeug weniger schaukeln lässt. Insbesondere, wenn wir wieder unseren Dachträger voll beladen haben, merken wir schnell, ob wir einen vernünftigen Kompromiss gefunden haben. Das Fahrwerk sollte ohne Nachschaukeln arbeiten.
In unseren Offroad-Kursen haben wir oftmals das Gefühl, dass primär die Hersteller von Offroad-tauglichen Vans und Wohnmobilen es mit der Höherlegung zu gut gemeint haben, zumindest wenn man nicht nur Pisten fahren möchte, sondern auch mal wirklich ins Gelände möchte. Die Fahrzeuge schaukeln und wippen, das einem schwindelig wird. Vornehmlich, wenn die Fahrzeuge in der Verschränkung sind und ein Rad in der Luft, sieht das Schaukeln schon recht spektakulär aus, bei der Schräglage umso mehr.
Vorteile von einstellbaren Fahrwerken.
Ein weiterer Schritt im Hinblick auf Offroad-Fahrwerk sind einstellbare Fahrwerke, wie beispielsweise das Old Man Emu (OME) BP-51 oder das TJM XGS Remote. Solche Systeme ermöglichen Dir, das Fahrwerk individuell auf Deinen Einsatzzweck und Deine Vorlieben einzustellen.
Bei Fahrwerken wie dem BP-51 und dem TJM Pace kannst Du sowohl die Zug- und Druckstufe der Stossdämpfer individuell anpassen. So lässt sich das Fahrverhalten je nach Gelände, Beladung und persönlicher Präferenz besser abstimmen. Bist Du beispielsweise auf langen Reisen schwer beladen unterwegs, kannst Du die Dämpfer etwas straffer einstellen und erhältst eine optimale Stabilität. Bist Du hingegen unbeladen oder auf schnellen, unebenen Strecken unterwegs, kannst Du das Fahrwerk weicher abstimmen, um Komfort und Traktion zu erhöhen.
Ein weiterer Vorteil solcher Systeme liegt in ihrer Vielseitigkeit: Du bist nicht an eine fixe Kennlinie gebunden und kannst jederzeit reagieren, wenn sich Deine Anforderungen ändern – etwa, wenn Du zwischen Alltagsbetrieb, Wochenendausflügen und langen Expeditionen variierst.
Gerade solche Fahrwerke überzeugen durch hochwertige Verarbeitung, robuste Komponenten und einfache Einstellbarkeit direkt am Fahrzeug. Zudem sorgen die verbauten externen Ausgleichsbehälter dafür, dass auch bei harten Einsätzen und längeren Fahrten die Dämpferleistung konstant bleibt, ohne zu überhitzen.
Wer flexibel sein und sein Fahrzeug optimal auf wechselnde Bedingungen abstimmen möchte, liegt mit einem solchen einstellbaren Offroad-Fahrwerk goldrichtig – zu einem recht hohen Preis.
Fazit:
Lohnt sich ein Offroad-Fahrwerk? Ein gutes Offroad-Fahrwerk kann das Fahrzeug spürbar verbessern – sei es durch mehr Komfort, mehr Bodenfreiheit oder bessere Belastbarkeit. Wichtig ist, dass es zu Deinem Einsatzzweck und Deinem Fahrzeug passt. Wer nur selten ins Gelände fährt, muss nicht gleich >5 cm höher. Wer aber schwer beladen reist oder viel abseits der Strasse unterwegs ist, wird ein optimiertes Fahrwerk schnell zu schätzen wissen. Gerne beraten wir Dich zu Deinem Vorhaben in unserem Shop in Kemptthal auf dem Gelände der Motorworld Zürich.